Rückvermeisterung im Handwerk Wiedereinführung der Meisterpflicht: Wichtige Fragen und Antworten

Seit Anfang 2020 gilt die Meisterpflicht wieder in mehr Gewerken. 12 Handwerksberufe sind hinzugekommen. In welchen Handwerksberufen eine Meisterpflicht besteht, in welchen nicht – und was die Argumente für und gegen die Rückvermeisterung sind. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

2004 wurde die Meisterpflicht in 53 Handwerksberufen aufgehoben. Nun soll sie in zwölf Gewerken wieder eingeführt werden. - © deagreez - stock.adobe.com

1. Was ist die Meisterpflicht im Handwerk – und warum gibt es sie?

Marktzugangsbeschränkungen gibt es im Handwerk seit dem Mittelalter. Nachdem die Meisterpflicht im Laufe der Jahrhunderte mal aufgehoben und wieder eingeführt wurde, wurde sie in Deutschland 1935 als Voraussetzung zur Selbständigkeit im Handwerk wieder eingeführt. 1953 wurde das Gesetz zur Ordnung des Handwerks erlassen, nach dem grundsätzlich ein Meisterbrief zur selbständigen Ausübung des Handwerks verlangt wurde. Mit der Handwerksordnung von 1953 wurde gesetzlich festgeschrieben, dass nur die Meisterprüfung – der "große Befähigungsnachweis" – dazu berechtigt, einen eigenen Handwerksbetrieb aufzumachen.

Verfassungsrichter urteilten 1961, dass die Einschränkung der freien Berufswahl durch die Meisterpflicht nur zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsinteressen zulässig sei. Einige Lockerungen hat es nach und nach gegeben, die wichtigste 2004 als Teil der Schröderschen "Agenda 2010": Unter dem Druck der steigenden Arbeitslosigkeit reduzierte die rot-grüne Bundesregierung die Zahl der meisterpflichtigen Handwerksberufe von 94 auf 41. Proteste und Gegenstimmen kamen damals etwa von den betroffenen Verbänden, CDU und CSU sowie der FDP.

Seit Anfang 2020 gilt nun die Meisterpflicht wieder in 12 Gewerken, die zuvor nicht meisterpflichtig waren. Das Gesetz wurde am 13. Februar im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.

2. Warum wurde die Meisterpflicht 2004 in einigen Gewerken abgeschafft?

Von der Reform der Handwerksordnung versprach sich die damalige Bundesregierung mehr Wettbewerb und Unternehmensgründungen. Seinerzeit litt Deutschland unter hoher Arbeitslosigkeit.

Die Bundesregierung beschloss im Zuge der Hartz-Reformen 2004 zum einen eine Deregulierung von 53 Handwerksberufen, die B1-Handwerke (z.B. Fliesen-, Platten- und Mosaikleger, Gebäudereiniger, Raumausstatter), in denen die Meisterpflicht komplett entfiel, sowie zum anderen Ausnahmeregelungen in fast allen verbliebenen A-Handwerken. 

3. Wo liegen die Unterschiede zwischen Anlage A und B?

In den zulassungspflichtigen Berufen (Anlage A) ist ein Meistertitel Voraussetzung für die Gründung eines Betriebes. Seit 2004 existieren jedoch einige Ausnahmeregelungen, etwa für erfahrene Gesellen (Altgesellenregelung) und EU-Ausländer. Die Meisterpflicht gilt nur noch für solche Gewerke, bei deren Ausübung nach Auffassung des Gesetzgebers Gefahren für die Gesundheit oder das Leben Dritter entstehen können. Im Mittelpunkt steht damit die Abwehr von etwaigen, aus mangelnder Qualität resultierenden Gefahren. In den zulassungsfreien Berufen wird seit der Novellierung der Handwerksordnung für die selbstständige Leitung eines Handwerksbetriebs keine spezifische Berufsqualifikation mehr benötigt. Der Meistertitel kann aber freiwillig erworben werden, sofern für den betreffenden Beruf eine Ausbildungsordnung besteht.

Wer im Handwerk einen Meisterbrief erworben hat, darf auch Lehrlinge ausbilden, denn ein Ausbilderschein (oder "eine Ausbildungseignungsprüfung) ist Teil der Meisterausbildung. In den zulassungsfreien Berufen dürfen Handwerker ebenfalls ausbilden, wenn sie eine Meisterprüfung abgelegt haben, oder wenn sie eine fachliche Prüfung bestanden haben und eine angemessene Dauer in dem entsprechenden Beruf tätig waren. Zusätzlich ist der Nachweis berufs- und arbeitspädagogischer Kompetenzen erforderlich. 

4. Für welche Gewerke gibt es seit Anfang 2020 wieder eine Meisterpflicht ?

Die Meisterpflicht wurde in folgenden Gewerken wieder eingeführt:

  • Fliesen-, Platten- und Mosaikleger
  • Betonstein- und Terrazzohersteller
  • Estrichleger
  • Behälter- und Apparatebauer
  • Parkettleger
  • Rollladen- und Sonnenschutztechniker
  • Drechsler und Holzspielzeugmacher
  • Böttcher
  • Glasveredler
  • Schilder- und Lichtreklamehersteller
  • Raumausstatter
  • Orgel- und Harmoniumbauer

6. In welchen weiteren Gewerken benötigt man heute einen Meisterbrief?

Der Meisterbrief ist seit Anfang 2020 in 53 Gewerken Voraussetzung zur Gründung eines Betriebs. Neben den zwölf oben genannten Gewerken gehören folgenden Berufsgruppen dazu:

Gewerbe Anlage A
1. Maurer und Betonbauer
2. Ofen- und Luftheizungsbauer
3. Zimmerer
4. Dachdecker
5. Straßenbauer
6. Wärme-, Kälte- und Schallschutzisolierer
7. Brunnenbauer
8. Steinmetz und Steinbildhauer
9. Stuckateure
10. Maler und Lackierer
11. Gerüstbauer
12. Schornsteinfeger
13. Metallbauer
14. Chirurgiemechaniker
15. Karosserie- und Fahrzeugbauer
16. Feinwerkmechaniker
17. Zweiradmechaniker
18. Kälteanlagenbauer
19. Informationstechniker
20. Kraftfahrzeugtechniker
21. Landmaschinenmechaniker
22. Büchsenmacher
23. Klempner
24. Installateur und Heizungsbauer
25. Elektrotechniker
26. Elektromaschinenbauer
27. Tischler
28. Boots- und Schiffbauer
29. Seiler
30. Bäcker
31. Konditor
32. Fleischer
33. Augenoptiker
34. Hörakustiker
35. Orthopädietechniker
36. Orthopädieschuhmacher
37. Zahntechniker
38. Friseure
39. Glaser
40. Glasbläser und Glasapparatebauer
41. Mechaniker für Reifen- und Vulkanisationstechnik

Quelle: ZDH

7. In welchen Gewerken gibt es keine Meisterpflicht?

2004 wurde die Meisterpflicht in 53 Gewerken aufgehoben. Seit 2011 sind jedoch nur noch 52 Berufe dort gelistet. Der Beruf des Textilgestalters vereint seitdem Sticker, Weber, Klöppler und Posamentierer, weshalb der bis dahin noch eigenständig aufgeführte Beruf des Webers nicht mehr einzeln gelistet wird. Seit Anfang 2020 gehören nur noch 40 Gewerke zur Anlage B1. Dies ist die aktuelle Liste:

Gewerbe Anlage B 1
1. Uhrmacher
2. Graveure
3. Metallbildner
4. Galvaniseure
5. Metall- und Glockengießer
6. Schneidwerkzeugmechaniker
7. Gold- und Silberschmiede
8. Modellbauer
9. Holzbildhauer
10. Korb- und Flechtwerkgestalter
11. Maßschneider
12. Textilgestalter (Sticker, Weber,Klöppler, Posamentierer, Stricker)
13. Modisten
14. Segelmacher
15. Kürschner
16. Schuhmacher
17. Sattler und Feintäschner
18. Müller
19. Brauer und Mälzer
20. Weinküfer
21. Textilreiniger
22. Wachszieher
23. Gebäudereiniger
24. Feinoptiker
25. Glas- und Porzellanmaler
26. Edelsteinschleifer und -graveure
27. Fotografen
28. Buchbinder
29. Drucker
30. Siebdrucker
31. Flexografen
32. Keramiker
33. Klavier- und Cembalobauer
34. Handzuginstrumentenmacher
35. Geigenbauer
36. Bogenmacher
37. Metallblasinstrumentenmacher
38. Holzblasinstrumentenmacher
39. Zupfinstrumentenmacher
40. Vergolder

Quelle: ZDH

 8. Welche handwerksähnlichen Gewerbe sind in Anlage B2 aufgelistet?

An dieser Liste ändert sich auch weiterhin nichts.

Anlage B 2
1. Eisenflechter
2. Bautentrocknungsgewerbe
3. Bodenleger
4. Asphaltierer (ohne Straßenbau)
5. Fuger (im Hochbau)
6. Holz- und Bautenschutzgewerbe(Mauerschutz und Holzimprägnierung in Gebäuden)
7. Rammgewerbe (Einrammen von Pfählen im Wasserbau)
8. Betonbohrer und -schneider
9. Theater- und Ausstattungsmaler
10. Herstellung von Drahtgestellen für Dekorationszwecke in Sonderanfertigung
11. Metallschleifer und Metallpolierer
12. Metallsägen-Schärfer
13. Tankschutzbetriebe (Korrosionsschutz von Öltanks für Feuerungsanlagen
ohne chemische Verfahren)
14. Fahrzeugverwerter
15. Rohr- und Kanalreiniger
16. Kabelverleger im Hochbau (ohne Anschlussarbeiten)
17. Holzschuhmacher
18. Holzblockmacher
19. Daubenhauer
20. Holz-Leitermacher (Sonderanfertigung)
21. Muldenhauer
22. Holzreifenmacher
23. Holzschindelmacher
24. Einbau von genormten Baufertigteilen (z.B. Fenster, Türen, Zargen, Regale)
25. Bürsten- und Pinselmacher
26. Bügelanstalten für Herren-Oberbekleidung
27. Dekorationsnäher (ohne Schaufensterdekoration)
28. Fleckteppichhersteller
29. Theaterkostümnäher
30. Plisseebrenner
31. Stoffmaler
32. Textil-Handdrucker
33. Kunststopfer
34. Änderungsschneider (ehemals Flickschneider)
35. Handschuhmacher
36. Ausführung einfacher Schuhreparaturen
37. Gerber
38. Innerei-Fleischer (Kuttler)
39. Speiseeishersteller (mit Vertrieb von Speiseeis mit üblichem Zubehör)
40. Fleischzerleger, Ausbeiner
41. Appreteure, Dekateure
42. Schnellreiniger
43. Teppichreiniger
44. Getränkeleitungsreiniger
45. Kosmetiker (ehemals Schönheitspfleger)
46. Maskenbildner
47. Bestattungsgewerbe
48. Lampenschirmhersteller (Sonderanfertigung)
49. Klavierstimmer
50. Theaterplastiker
51. Requisiteure
52. Schirmmacher
53. Steindrucker
54. Schlagzeugmacher

Quelle: ZDH

9. Was passiert mit Betrieben, die seit 2004 gegründet wurden und keinen Meister beschäftigen?

Wer nach 2004 einen Betrieb in einem zulassungsfreien Handwerk gegründet hat und keinen Meisterbrief besitzt, der muss keine nachträgliche Prüfung oder ähnliches fürchten. Für Betriebe der Anlage B1 gibt es einen Bestandsschutz.

10. Welchen Einfluss hatte die Novellierung der Handwerksordnung auf die Betriebsstrukturen in den zulassungsfreien und den zulassungsbeschränkten Gewerken?

Die Auswertung einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Grünen Bundestagsfraktion belegt, dass sich die Unternehmensstrukturen der Gewerbe in Anlage A und in Anlage B1 stark verändert haben. Es zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den zulassungsfreien und den zulassungsbeschränkten Gewerken.

Die Zahl der Betriebe in Anlage A ist im Zeitraum von 2003 bis 2016 um rund 8.500 gesunken. Dafür ist die Größe der Betriebe mit Meisterpflicht gewachsen – in allen Gewerken mit Ausnahme der Friseure. Umgekehrt sind rund 160.000 Betriebe in den zulassungsfreien Gewerken hinzugekommen. Bei Parkettlegern, Fliesenlegern oder Raumausstattern ist ein deutlicher Trend in Richtung Kleinstunternehmen zu erkennen. Diese Entwicklung gilt für alle Gewerke der Anlage B1 – mit Ausnahme der Gebäudereiniger.

Insgesamt zeigt die Auswertung, dass sich die Zahl der Unternehmen sowie die Markteintritte und -austritte in den deregulierten Handwerksbereichen seit der Novellierung der Handwerksordnung erhöht habt. Von 2000 bis 2009 haben sich die Ein- und Austragungen in den zulassungspflichtigen A-Handwerken kaum verändert. Hingegen sind die An- und Abmeldungen in den B1-Handwerken ab 2004 um ein Mehrfaches angestiegen, wie die Bundesregierung mit Verweis auf die Betriebsdaten des Zentralverbands des Deutschen Handwerks schreibt. Besonders viele Betriebe haben sich in folgenden Gewerken ein- bzw. austragen lassen: Gebäudereiniger, Fliesen-, Platten- und Mosaikleger, Parkettleger und Raumausstatter.

Insbesondere der Anteil der Soloselbstständigen ist nach Angaben der Bundesregierung in den B1-Handwerken deutlich stärker gestiegen und liegt über dem der Gesamtwirtschaft. 1995 waren rund 24 Prozent der Betriebe in Anlage B1 Soloselbstständige, 2015 waren es rund 64 Prozent. Bei den Fliesenlegern ist beispielsweise die Zahl der Soloselbstständigen von rund 1.000 auf rund 28.700 gestiegen. Bei den Fotografen von knapp 1.000 auf rund 13.900.

11. Wie haben sich die Ausbildungszahlen in den Gewerken ohne Meister entwickelt?

Wer im Handwerk ausbilden möchte, benötigt einen Meister oder eine entsprechende fachliche und pädagogische Ausbildung. Handwerker in den zulassungsfreien Gewerken ohne Meisterbrief haben höhere Kosten eine Ausbildungsberechtigung zu erwerben. Vor diesem Hintergrund ist es besonders interessant, sich die Entwicklung der Ausbildungszahlen in diesen Gewerken anzuschauen.

Ein Vergleich der Lehrlingszahlen zeigt einen stärkeren Rückgang in den B1-Handwerken als in den A-Handwerken, wenngleich sich eine wirkliche Diskrepanz erst in den letzten fünf bis zehn Jahren ergeben hat und die Entwicklung auch zwischen den einzelnen Gewerken sehr unterschiedlich ist, schreiben Justus Haucap und Alexander Rasch in einem wissenschaftlichen Gutachten.

Die Deregulierung hat die Anzahl der Raumausstatter-Betriebe seit 2003 von 8.743 auf 28.480 im Jahr 2017 steigen lassen. Viele davon sind soloselbständig ohne jegliche Berufsqualifikation. In diesem Beruf ist die Anzahl der Lehrlinge um 38 Prozent gesunken.

Bei den Fliesenlegern war nach der Novellierung der Handwerksordnung ähnliches zu beobachten: Wie bei den Raumausstattern ist die Ausbildungsleistung bei den Fliesenlegern gesunken: Die Ausbildungszahlen von 3.029 Auszubildenden im Jahr 2004 sank auf 2.209 Auszubildenden im Jahr 2015, was ein Minus von 27 Prozent bedeutet.

Betrachtet man die Entwicklung der Ausbildungszahlen im Handwerk, so zeigt sich, dass der Lehrlingsbestand sowohl in den zulassungsfreien als auch in den zulassungsbeschränkten Gewerken rückläufig ist. Von 1997 bis 2017 ist die Anzahl der Auszubildenden in den zulassungspflichtigen Gewerken nach Angaben des Zentralverbands des Deutschen Handwerks von 538.507 auf 304.363 und in den zulassungsfrei gestellten Gewerken von 32.342 auf 14.292 zurückgegangen. Dabei ist die Anzahl der Lehrlinge in den zulassungsfreien Gewerken sowohl in den Jahren vor als auch in den Jahren nach der Handwerksnovelle 2003/ 2004 relativ betrachtet stärker zurückgegangen.

Aktuell ist insbesondere in den zulassungsfreien Gewerken weiterhin ein Rückgang der Ausbildungszahlen feststellbar, während in den zulassungspflichtigen Gewerken die Lehrlingszahlen zuletzt leicht gestiegen sind.

12. Wer war dafür, die Meisterpflicht wieder einzuführen?

Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom 12. März 2018 findet sich die Formulierung, dass der "Meisterbrief erhalten und verteidigt" werden soll. Nachdem sich einzelne Politiker in der Presse für eine Ausweitung der Meisterpflicht ausgesprochen hatten, brachte zunächst die bayerische Landesregierung im Bundesrat einen Antrag zur Ausweitung der Meisterpflicht ein, bevor im Dezember 2018 der Bundestag anlässlich zweier Anträge der AfD sowie der FDP über das Thema debattierte. Dort wurde beschlossen, die Vorlagen zur weiteren federführenden Beratung in den Ausschuss für Wirtschaft und Energie zu überweisen.

Ebenfalls positiv über die Pläne äußerte sich der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB). Wichtig sei es, keinen "Flickenteppich" zu schaffen und alle Berufe der Anlage B1 zurückzuführen. "Darüber hinaus ist zu prüfen, ob gegebenenfalls Berufe aus der Anlage B2 wie das Bestattungsgewerbe die Kriterien zur Einführung der Meisterpflicht erfüllen", schreibt der DGB in einer Pressemitteilung vom Oktober 2018.  

Auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks setzt sich für die Wiedereinführung des Meisterbriefs in den Anlage B1-Gewerken ein. 

13. Welche Argumente gibt es für die Meisterpflicht?

Als wesentliche Gründe für eine Ausweitung der Meisterpflicht werden ein höherer Verbraucherschutz, sprich eine höhere Qualität der Arbeit sowie eine bessere Ausbildungsleistung in den heute zulassungsfreien Gewerken genannt.  Ziel der Wiedereinführung der Meisterpflicht ist es, die Leistungsfähigkeit zu verbessern und nachhaltige und wettbewerbsfähige betriebliche Strukturen im Handwerk zu stärken. Außerdem soll das Handwerk im Sinne der Integration ausländischer Fachkräfte insgesamt gestärkt werden.

Eines der wichtigsten Argumente der Befürworter ist die bessere Qualität im Handwerk, die mit einem Meister einhergeht. So sei es schwierig, für eine gute Ausbildung zu sorgen, wenn die eigenen Fachkenntnisse gering sind. In den Anlage B-Berufen braucht es keinerlei Qualifikation, um einen Betrieb zu gründen. Daher würden viele Branchen mit ihren Beschäftigten davon profitieren, wenn die Meisterpflicht wieder eingeführt würde. Dies sei auch im Sinne der Verbraucher. Denn mit dem Meisterbrief ist ein Qualifikationsrahmen gegeben, der erst über eine mehrjährige Ausbildung eine Betriebsgründung zulässt. So schreiben auch Justus Haucap und Alexander Rasch in ihrem Gutachten, dass der Meisterbrief zur Sicherung einer Mindestqualität im Handwerk beiträgt. Insbesondere im Fall von Qualitätsmängeln sei eine Gewährleistung relevant. Für das Gewährleistungsrecht ist wiederum der Fortbestand beziehungsweise die Bestandsfestigkeit der Betriebe wichtig. Dies ist aufgrund der vielen Markteintritte und -austritte bei den zulassungsfreien Gewerben oft nicht gegeben.

Zudem wird argumentiert, dass der Meisterbrief das Rüstzeug für Selbstständigkeit und Unternehmertum im Handwerk vermittelt und eine Basis für nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg liefert. "Kleinbetriebliche Strukturen insbesondere in den ländlichen Regionen werden gesichert und für künftige Herausforderungen im Wettbewerb gerüstet. Meisterbetriebe gewährleisten Innovation und Know-how-Transfer auch für künftige Generationen. Das stärkt nachhaltig den Wirtschaftsstandort Deutschland", heißt es in einem Statement des ZDH. 

Die Befürworter einer Meisterpflicht versprechen sich außerdem eine nachhaltige Fachkräftesicherung. "Die mit der Novelle der Handwerksordnung verbundene Hoffnung, durch die Abschaffung der Meisterpflicht mehr Fachkräfte zu bekommen, hat sich nicht erfüllt. Im Gegenteil: Es wurden und es werden weniger", sagte ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer gegenüber der Welt.

In einer ifh-Studie wurden die Effekte der Novelle der Handwerksordnung auf die Ausbildungsleistung untersucht. Dabei stellten die Wissenschaftler fest, dass sich die Ausbildungsleistung der zulassungsfreien Gewerke verringert hat. Diese Entwicklung zeige sich erst ab 2009 mit der Wiedereinführung der Ausbilder-Eignungsverordnung für die deregulierten Gewerke deutlich. Die Experten schlussfolgern, dass ein möglicher Grund für die Senkung der Ausbildungsleistung die höheren Kosten für Unternehmen ohne Meisterbrief sein könnten, eine Ausbildungsberechtigung zu erwerben. Dieser negative Einfluss der Abschaffung der Meisterpflicht soll sich mit der Wiedereinführung umkehren, so die Hoffnung der Pro-Meisterbrief-Fraktion.

14. Wer war gegen die Wiedereinführung der Meisterpflicht?

Neben den Befürwortern, gibt es auch eine ganze Reihe von Gegner und Kritikern einer Wiedereinführung der Meisterpflicht. Dazu zählen die kleineren Parteien, die Monopolkommission und der Berufsverband unabhängiger Handwerker.

15. Welche Argumente sprechen gegen die Meisterpflicht?

Die kleineren Bundestagsparteien setzen auf Freiwilligkeit statt auf eine Wiedereinführung der Meisterpflicht. "Der Plan der Koalition, in einzelnen Bereichen die Meisterpflicht wieder einzuführen, wird die bestehenden Probleme im Handwerk nicht kurzfristig lösen", so Reinhard Houben, wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP -Bundestagsfraktion. "Bei der Frage der möglichen Wiedereinführung der Meisterpflicht in ausgewählten Berufen gilt es, mit Verstand und Augenmaß vorzugehen. Eingriffe in die Berufsfreiheit müssen bekanntlich gut begründet und geprüft werden, wie es das Grundgesetz verlangt", sagt FDP-Bundestagsmitglied und Handwerksmeister Manfred Todtenhausen. Die Partei der Grünen setzt auf mehr Anerkennung handwerklicher Ausbildungen als Zulassung für Hochschul- und Fachhochschulstudien. "Wir müssen die Chancen des Meisterbriefes betonen, statt auf Zwang zu setzen", so die Mittelstandsbeauftragte der Partei, Claudia Müller.

Die Monopolkommission bringt gleich mehrere Argumente vor, weshalb die Meisterpflicht aus ihrer Sicht kein Instrument zur Sicherung einer hohen Qualität im Handwerk ist. Zu beachten sei, dass die Meisterpflicht primär die Möglichkeit zur Gründung eines Handwerksbetriebs betrifft. Hierdurch würde zwar sichergestellt, dass die Betriebsinhaber eine formal höhere Qualifikation aufweisen. In der Praxis würden allerdings viele Arbeiten von Gesellen und Lehrlingen und nicht von den Meistern ausgeführt.  Außerdem garantiere die einmal absolvierte Meisterprüfung nicht, dass Elektrotechniker, Heizungsbauer oder Bäcker immer auf dem neuesten Stand sind. Die fachliche Kompetenz könne der Staat auch durch andere Nachweise sichern.

Für eine höhere Ausbildungsleistung im gesamten Handwerk schlägt die Monopolkommission vor, den Erwerb der Ausbildungsberechtigung attraktiver zu gestalten. Eine Berufszugangsbeschränkung sei hier nicht zielführend. Eine Ausweitung der Meisterpflicht würde zu einem deutlichen Rückgang der Betriebsgründungen in den derzeit zulassungsfreien Gewerken führen. Der bereits heute in einigen Handwerksberufen bestehende Fachkräftemängel werde sich hierdurch eher noch verschärfen denn mildern, so die Einschätzung der Kommission.

Diese Argumentation stützt auch der Berufsverband unabhängiger Handwerker (BUH). "Der BUH teilt die erneute Einschätzung der Monopolkommission, dass die Ausweitung der Meisterpflicht weder die handwerklich Qualität noch die Ausbildungsleistung in messbarer Weise fördert", sagt Jonas Kuckuk vom BUH, "Diese Einschätzung wird bereits von der umfassenden Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung aus dem Jahr 2016 gestützt. Im Handwerk besteht ein Abwanderungs- aber kein Ausbildungsproblem." So würden weniger als 40 Prozent der ausgebildeten Handwerker im Handwerk verbleiben. Deshalb rät der BUH dazu die Arbeitsbedingungen zu verbessern und den Erwerb der Ausbildungsberechtigung zu fördern.

Außerdem zeigten die Zahlen einiger zulassungsfreier Branchen, wie den Gebäudereinigern, dass sich die Abschaffung der Meisterpflicht positiv ausgewirkt habe. Von diesem verbesserten Angebot profitierten auch Handel und Industrie. Unterm Strich würde eine Wiederausweitung der Meisterpflicht vor allem den Fachkräftemangel weiter verschärfen. Zudem würde der Meisterbrief Verbraucher nicht vor Pfuscharbeiten schützen. Vor unangenehmen Überraschungen schütze das Gewährleistungsrecht, so der BUH.

Meisterpflicht-Kritiker Jörg Michael Neubert argumentiert, dass bestehende Qualitätsunterschiede nicht prinzipiell schlecht sind. Vielmehr würden sie eine klarere Preis-/Leistungsdifferenzierung ermöglichen. Der Konsument könne gezielt wählen, ob er eine Meisterstunde oder eine Gesellenstunde bezahlen möchte. Handwerksleistungen würden so für viele Menschen überhaupt erst bezahlbar. Gleichzeitig habe die Tatsache, dass sich jetzt mehr Menschen einen Handwerker leisten können, auch noch den positiven Effekt, dass damit die in diesem Bereich weit verbreitete Schattenwirtschaft zurückgedrängt werde. "Denn wenn der Preis einer legalen Dienstleistung sich wenig von dem für die illegale unterscheidet, wird auch die Nutzung von letzterer zurückgehen", schreibt Neubert in einem Artikel bei "Novo – Argumente für den Fortschritt".