Emotional auf den Kunden zugehen Beschwerdemanagement: Bei Ärger richtig reagieren

Wenn es bei einem Auftrag Probleme gibt, müssen Dienstleister lösungsorientiert, schnell und emotional auf den Kunden eingehen. Im ersten Schritt hilft es, sich an die Seite des Kunden zu stellen.

Michael Sudahl

Wenn's Ärger gibt, cool bleiben: Wenn sich ein Kunde ärgert, hilft es, sich erstmal auf seine Seite zu stellen. Oft ist der anfängliche Ärger dann schnell verraucht. - © Kzenon/Fotolia.com

Als regionaler Anbieter für Photovoltaik-Anlagen ist ein effektiver Umgang mit Beschwerden für den Unternehmenserfolg von Energeticum ein entscheidender Faktor. "Wir können es 99-mal klasse machen", sagt Vertriebschef Werner Schneider, "aber wenn es beim 100. Kunden schiefgeht und wir nicht adäquat reagieren, spricht sich das schnell herum und unser guter Ruf ist dahin."

Deshalb werden die Außendienstmitarbeiter regelmäßig geschult und zwei Servicemitarbeiter am Firmensitz in Balzhausen, 40 Kilometer süd-westlich von Augsburg, fangen die unzufriedenen Kunden auf und tragen alle Probleme in die so genannte KVP-Liste ein. So kann Schneider auf Anhieb sagen, dass 2013 insgesamt 74 Wechselrichter nicht einwandfrei funktionierten. Sie sind bekanntlich die größte Schwachstelle von PV-Anlagen. Darum gibt es einen Austauschservice, der innerhalb von 48 Stunden dafür sorgt, dass der Solarstrom wieder in vollem Umfang fließen kann. In den vergangenen zehn Jahren hat der Solateur 2.500 Anlagen zwischen München und Biberach sowie Allgäu und Nördlingen installiert.

Mit jeder Anlage erhöht sich die "Chance" von Beschwerden. "Zu 99 Prozent bekommen wir die Probleme so in den Griff, dass die Kunden zufrieden sind", erzählt der gelernte Heizungsbauer, der seit mehr als zehn Jahren im Vertrieb tätig ist. Entscheidend sei zunächst, die Anrufer mit ihrer Unzufriedenheit ernst zu nehmen .

Gestörte Beziehungsebene

Diese Grundhaltung gefällt dem Vertriebsberater Jürgen Frey von Tempus-Consulting: " Es ist wichtig, Kunden emotional abzuholen." Ob die Beschwerde berechtigt ist oder nicht: Der Kunde ist zunächst verärgert und möchte gehört werden, so der Buchautor ("Mein Freund, der Kunde"). Denn neben dem sachlichen Problem ist zusätzlich die Beziehungsebene gestört. Im ersten Moment kann es deshalb hilfreich sein, sich psychologisch auf die Seite des Kunden zu schlagen:
  • Wir werden das Problem lösen.
  • Ich spreche mit dem Chef und schaue, was ich für uns rausholen kann.
Oft ist das Problem eben auch nur nach interner Rücksprache zu klären. Ein weiterer Vorteil ist der Zeitgewinn, denn dann ist der erste Ärger auf der Gegenseite verraucht.
Das sei ein hilfreicher Nebeneffekt, so Schneider. Aber die Außendienstmitarbeiter, die in der Regel der erste Ansprechpartner für Probleme sind, können in aller Regel gar nicht anders reagieren als mit dem Satz: "Ich kümmere mich darum und melde mich wieder bei Ihnen."

Vor Ort haben sie tatsächlich nicht alle Vorgänge parat und müssen sich erst die notwendigen Informationen besorgen: Alle Vorgänge bis zu Gesprächsnotizen sind in der Firmen-IT gespeichert. So können sie sich auf einer sachlichen Ebene den Kunden wieder nähern.

Gespräche entspannen

Dazu kann auch gehören, dass der Fehler bei Energeticum liegt. "Nichts ist so entwaffnend, wie einen Fehler zuzugeben", sagt Frey. Oft laufen Schuldzuweisungen ins Leere, wenn der Kunde hört: "Da ist uns ein Fehler passiert. Das geht auf unser Konto." Ebenso kann man viel Spannung aus dem Gespräch nehmen, wenn man fragt: "Was schlagen Sie vor?" Damit signalisieren Handwerker, dass ihnen an einer gemeinsamen Lösung liegt. Inzwischen greifen PV-Installateure tief in die Hauselektrik ein und tatsächlich hat Energeticum dieses Jahr einen Bock geschossen und einige Elektrogeräte waren dadurch defekt. Der Schaden ist zwar über die Versicherung abgedeckt, doch die lassen sich oft Zeit. Ganz abgesehen davon, dass der Kunde sich alle Geräte erst wieder besorgen muss.

Prioritäten setzen

"Das haben wir natürlich vorgestreckt", erzählt der Vertriebsleiter. In anderen Fällen kommen die Außendienstmitarbeiter auch mal mit einem Blumenstrauß, einer Flasche Wein oder einem Geschenkkorb vorbei, um die gute Kundenbeziehung wieder herzustellen. Schon kleine Zugeständnisse können erboste Kunden zufrieden stellen, weiß Frey. Allerdings mahnt er, die richtigen Prioritäten zu setzen: Der Kunde, der am lautesten schreit, muss nicht der Wichtigste sein. Und es gilt immer zu prüfen, ob es sich lohnt, um den in Frage stehenden Betrag zu streiten.

Für eine vernünftige Lösung benötigen Inhaber Fingerspitzengefühl: Jeder Kunde, jede Reklamation, jede Situation ist anders. Ein standardisiertes Verhalten gegenüber schwierigen Kunden gebe es nicht. Das sieht Werner Schneider ähnlich. Trotzdem bereitet sich das Unternehmen auf eine ISO-Zertifizierung vor. "Das Beschwerdemanagement ist ein Kostenfaktor", so der Praktiker, "aber wir verkaufen keine Akkuschrauber, sondern sichern die Energieerzeugung für die kommenden 30 bis 40 Jahre."

Zehn Tipps zum Umgang mit schwierigen Kunden

  1. Entschuldigung: Einen Kunden um Entschuldigung bitten, ist immer gut. Aber sagen Sie: Ich bitte um Entschuldigung, nicht: Ich entschuldige mich!
  2. Erklärung: Oft hilft es, verärgerten Kunden den größeren Rahmen aufzuzeigen: Warum haben wir uns für folgendes Vorgehen entschieden? Warum können wir ihm preislich nicht entgegenkommen? Welche Überlegungen stecken hinter der Entscheidung?
  3. Ball zurückspielen: Eine starke Frage ist immer: "Was schlagen Sie vor?"
  4. Entschädigung: Die Erfahrung zeigt, selbst sehr erboste Kunden sind mit kleinen Zugeständnissen oft zufrieden.
  5. Wiederholungen: In schwierigen Kundengesprächen fällt es Gesprächspartnern schwer zuzuhören. Es ist deshalb sinnvoll, den eigenen Standpunkt in unterschiedlichen Worten zu wiederholen.
  6. Wir-Gefühl: Manchmal hilft es, sich auf die Seite des Kunden zu schlagen: Wir lösen das Problem.
  7. Fehler zugeben: Nichts ist so entwaffnend, wie einen Fehler zuzugeben und auf sich persönlich zu nehmen.
  8. Zeitfaktor: Manchmal ist es ganz gut, Zeit zu gewinnen und Dampf rauszu­lassen.
  9. Rücksprache: Wenn Sie mit Ihrem Latein am Ende sind und das Gespräch sitzt fest, bitten Sie Ihren Gesprächspartner um eine Unterbrechung. "Geben Sie mir die Chance, um darüber noch einmal nachdenken. Ist es in Ordnung, wenn ich Sie heute Mittag anrufe?"
  10. Prioritäten: Sind die Kunden, die am lautesten schreien, auch die wichtigsten? Lohnt es sich, um diesen Betrag zu streiten?
Quelle: highway-to-sell.de