Onboarding von Azubis Ausbildungsstart: 4 Fehler, die Ausbilder vermeiden sollten

In diesen Wochen treten tausende von Jugendlichen ihre Ausbildung an. Ob sie sich im Betrieb wohl fühlen, integrieren und gut arbeiten werden oder nur lustlos ihre Zeit absitzen, hat viel damit zu tun, wie der Ausbildungsstart gestaltet wird. Mit diesen Tipps klappt das Onboarding.

Zwei Personen schütteln sich die Hände.
Wie der Azubi am ersten Ausbildungstag empfangen wird, entscheidet mit darüber, ob er später motiviert arbeitet. - © Tyler Olson. Stock-adobe.com

Zehntausende Ausbildungsstellen im Handwerk sind zum neuen Ausbildungsjahr noch nicht besetzt. Umso wertvoller sind die Jugendlichen, die dieser Tage ihre Ausbildung im Handwerk starten und umso wichtiger ist es, sie zu motivieren.

Das scheint oft nicht zu gelingen. Fast 34 Prozent der Ausbildungsverträge im Handwerk werden vorzeitig gelöst (Datenreport 2023 des Bundesinstituts für Berufsbildung). Dabei zeichnen oft schon die ersten Tage im Betrieb vor, ob es gelingen wird, den Jugendlichen zu motivieren oder nicht.

Motivationskiller Nr. 1: Sendepause vor dem Start

Die Bewerbung ist schon Monate her, der Vertrag ist vor Wochen unterschrieben und dann hört der künftige Azubi nichts mehr vom Unternehmen.

Eine solche Sendepause bis zum Ausbildungsbeginn ist verschenkte Zeit. Sie erhöht die Gefahr, dass der Jugendliche sich doch noch für einen anderen Weg entscheidet. Denn viele junge Leute bewerben sich an mehreren Stellen und halten sich bis zum Schluss alle Optionen offen. Betriebe, die in dieser Zeit den Kontakt halten, haben einen Vorteil.

Möglichkeiten zum Kontakt sind:

  1. Ein Willkommensschreiben: Damit bereitet der Betrieb den Azubi auf seinen ersten Arbeitstag vor. Darin steht in freundlichem Tonfall

    • um wie viel Uhr der Jugendliche zum Betrieb kommen soll
    • bei wem er sich meldet und wo er diese Person findet
    • was er mitbringen soll
    • welche Kleidung angemessen ist
    • außerdem die Einladung, sich bei Fragen jederzeit zu melden, verbunden mit einer Telefonnummer oder E-Mail-Adresse und dem Namen eines Ansprechpartners.

    Wenn vorhanden, kann außerdem eine Imagebroschüre oder Produktmappe dem Schreiben beiliegen. Damit kann sich der Azubi schon ein genaueres Bild vom Betrieb machen.
  2. Kennenlerntag: Alternativ oder ergänzend können Betriebe die künftigen Azubis schon ein paar Wochen vor Ausbildungsbeginn in den Betrieb einladen, etwa zu einem Betriebsrundgang. Der interessiert auch Eltern, die sich ein Bild vom Ausbildungsbetrieb ihres Kindes machen wollen. Wichtig ist, dass bei einem entsprechenden Firmenevent die persönliche Betreuung der neuen Lehrlinge und ihrer Eltern gewährleistet ist, damit sich diese nicht verloren fühlen.
  3. Feste und Feiern: Auch wenn der Azubi seine Ausbildung noch nicht begonnen hat, kann er die künftigen Ausbilder und Kollegen bei einem Sommerfest oder an einem Tag der offenen Tür kennenlernen.
  4. Glückwünsche zum Geburtstag, Grußkarten zu Weihnachten – auch hierüber zeigt der Betrieb, dass ihm der künftige Azubi wichtig ist.

Was ist Onboarding?

Ob sich ein Azubi oder Mitarbeiter im Betrieb willkommen fühlt, hat mit dem "Onboarding" zu tun. Mit diesem Betriff bezeichnet man die Phase, in der die Person "an Bord" des Unternehmens geholt wird, mit allen Maßnahmen und Aktivitäten, die ihm oder ihr helfen, sich gut zu integrieren, sich schnell zurechtzufinden und einzuarbeiten. 

Das Netzwerk Q 4.0 teilt das Onboarding von Azubis in fünf Phasen ein:

1. Das Pre­boar­ding

Das On­boar­ding be­ginnt nicht mit dem ers­ten Aus­bil­dungs­tag, son­dern schon viel frü­her.Schon ab der Zusage sollten Betriebe den Azubi einbinden, beispielsweise mit dem Willkommensschreiben und den anderen drei oben genannten Punkten.

2. Kenn­ler­nen

Um ein Teil ei­nes Teams wer­den zu kön­nen, muss das Wir-Ge­fühl ge­stärkt wer­den. Das geschieht auch in gemeinsamen Pausen mit pri­va­ten Ge­sprä­chen in­ner­halb des Teams.

3. Klar for­mu­lier­te Auf­ga­ben

Check­lis­ten und Zeit­plä­ne helfen gerade zum Ausbildungsstart. Wich­tig ist, dass Auf­ga­ben klar for­mu­liert und abwechslungsreich sind zwischen kreativ und routiniert.

4. Dau­er

Der On­boar­ding Pro­zess geht weit über den ersten Arbeitstag hinaus. Be­son­ders die ers­ten Wo­chen sind aus­schlag­ge­bend für das Ein­fin­den ins Team und die Ar­beit.

5. Re­gel­mä­ßi­ges und ak­ti­ves Feed­back

Im Ver­lauf des On­boar­dings durch­lau­fen die Azu­bis eine Rei­he von Emo­tio­nen. Da­mit die­se pro­duk­tiv ver­ar­bei­tet wer­den kön­nen, ist es för­dernd re­gel­mä­ßi­ge Feed­back-Ge­sprä­che an­zu­bie­ten, empfiehlt das Netzwerk Q 4.0. Thema können die ers­ten Ein­drü­cke sein, aber auch Fra­gen und Wün­sche des Azubis beziehungsweise kon­struk­ti­ves Feed­back des Ausbilders oder der Ansprechperson.

Motivationskiller Nr. 2: Bestellt und nicht abgeholt

Nichts ist schlimmer für einen Azubi (und jeden anderen Neuling im Unternehmen), wenn er seinen ersten Arbeitstag antritt und keiner weiß etwas mit ihm anzufangen. Stattdessen sollten der Ablauf und die zuständigen Personen am ersten Arbeitstag gut vorbereitet sein:

  1. Empfangen: Die im Willkommensschreiben benannte Person sollte den Azubi am ersten Arbeitstag freundlich empfangen und zeigen, dass der Betrieb vorbereitet ist auf die Ausbildung.
  2. Einweisen: Der Azubi bekommt seinen Arbeitsplatz, sein Werkzeug, seinen Spint, seine Arbeitskleidung, wo nötig auch eine eigene E-Mail-Adresse oder ein Firmenhandy, über das er sein digitales Berichtsheft führen kann und seine Arbeitszeit erfasst.
  3. Kennenlernen: Anschließend sind ein Betriebsrundgang oder eine spielerische Rallye mit verschiedenen Aufgaben eine Möglichkeit, diesen ersten Tag zu gestalten. Hier kann der Jugendliche den Betrieb, die für ihn wichtigen Räume und seine Ansprechpartner kennenlernen. Falls der Chef den Azubi nicht schon persönlich in Empfang genommen hat, sollte er ihn spätestens jetzt willkommen heißen.
    Die Pausen sollte der Azubi gerade an den ersten Tagen nicht allein verbringen müssen. Ob nun der Ausbilder oder die Azubikollegen: Jemand sollte als Pate bestimmt sein, der den Neuling unter seine Fittiche nimmt.

Motivationskiller Nr. 3: Überforderung

Sätze wie "Das habe ich dir doch gestern schon alles erklärt!" sind der Motivationskiller schlechthin. In den ersten Tagen hört ein Azubi ständig Neues, sieht lauter fremde Gesichter und muss sich von einem vergleichsweise entspannten Schulalltag an einen 8-Stunden-Tag in fremder Umgebung gewöhnen. Was für Chef und Belegschaft vertraut und normal ist, bedeutet für Neulinge einen Ausnahmezustand und Überforderung.

Dies lässt sich abfedern durch eine Willkommensmappe in papier- oder digitaler Form. Sie beinhaltet alle wichtigen Informationen zum Unternehmen und sie kann immer wieder zur Hand genommen werden. So vermeidet das Team, mit immer gleichen Fragen gelöchert zu werden oder – noch schlimmer –, dass der Azubi seine Fragen nicht mehr stellt und sich zurückzieht.

Am ersten Arbeitstag geht der Ansprechpartner diese Willkommensmappe mit dem Azubi in aller Ruhe durch. So hat der Jugendliche alle relevanten Informationen gehört, weiß aber auch, wo er sie noch einmal nachlesen kann.

Inhalt der Willkommensmappe

  • Wichtig ist, dass in der Mappe das Team vorgestellt wird, am besten mit Foto, Namen und Funktion der Person im Unternehmen.
  • Nützlich in der Willkommensmappe ist außerdem ein Überblick über die Produktpalette und Leistungsangebote des Unternehmens, damit sich der Azubi besser zurecht findet.

Vor allem geht es in der Willkommensmappe aber um grundsätzliche Informationen:

  • Welche Arbeits- und Pausenzeiten gelten im Betrieb?
  • Welche Rechte und Pflichten hat der Auszubildende?
  • Wie ist der betriebliche Ausbildungsplan?
  • Welche Berufsschule ist zuständig, wer sind dort die Ansprechpartner?
  • Was ist ein Berichtsheft und wie muss es geführt werden?
  • Welche Sicherheitsvorschriften müssen eingehalten werden?
  • Wie kann der Azubi einen Urlaubsantrag einreichen?
  • Was muss er tun, wenn er krank ist?

Auch weiterführende Informationen in der Willkommensmappe können dem Azubi die erste Zeit erleichtern:

  • Welche Mittagsangebote stehen im Betrieb oder in der Umgebung zur Auswahl?
  • Was für Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten hat er?
  • Welche Sozialleistungen und Unterstützungsmöglichkeiten gibt es zum Beispiel, wenn der Azubi eine eigene Wohnung braucht?

Motivationskiller Nr. 4: Schweigen, brummen, schuften

Der Satz "Lehrjahre sind keine Herrenjahre" steckt auch heute noch in den Köpfen. Zwar weiß jeder, dass er in Zeiten des Nachwuchsmangels damit keine Jugendlichen mehr anlocken oder halten kann. Dennoch bilden viele Unternehmer immer noch so aus, wie seinerzeit sie selber ausgebildet wurden, mit viel Strenge, viel Arbeit und wenig Lob.  

Kein anderer Wirtschaftszweig hat so viele vorzeitige Vertragslösungen in der Ausbildung wie das Handwerk. Das hat viele äußere Gründe, wie das Alter und den Bildungsgrad der Auszubildenden. Es hat aber auch viele Gründe, auf die der Betrieb Einfluss hätte.

Untersuchungen des Ludwig-Fröhler-Instituts zeigen, dass Azubis meist deswegen aufgeben, weil sie unter einem schlechten Betriebsklima leiden, weil sie überwiegend Routine- und ausbildungsfremde Tätigkeiten übernehmen müssen und weil nicht mit ihnen geredet wird. Sie vermissen Informationen, vor allem aber Lob, Anerkennung und Verständnis.

Ausbilder beklagen vor allem die mangelnde Leistung der Azubis, sowohl in der Berufsschule als auch im Betrieb. Der Azubi fehle oft und sei unmotiviert.

Wenn Unternehmer solche Warnzeichen feststellen, können sie sich auch von außen Hilfe holen. Alle Handwerkskammern haben Ausbildungsberater, die sowohl Betriebe als auch Auszubildende kostenlos unterstützen.

>>> Weitere Informationen zu Ausbildungsabbrüchen und zur gelungenen Kommunikation mit Azubis lesen Sie im Artikel Ausbildungsabbruch: Wenn Azubi und Betrieb sich trennen

Arbeitsschutz vom ersten Tag an

In vielen Handwerksberufen und besonders am Bau gibt es mehr Gefahrenpotenzial als in Bürojobs. Besonders unter 25-Jährige, also zumeist Berufsanfänger, haben ein höheres Risiko für Arbeitsunfälle, zeigen die Statistiken der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV).  

Grundsätzlich stehen Azubis wie alle Beschäftigten automatisch unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Dazu brauchen sie weder einen Versicherungsvertrag abzuschließen noch müssen sie namentlich bei der Versicherung angegeben werden, informiert die Berufsgenossenschaft für das Bauwesen BG Bau. Einzige Besonderheit bei den Azubis sei der Jugendschutz für unter 18-Jährige. Dessen zusätzliche Regeln müssten außerdem beachtet werden.

Damit Azubis vom ersten Tag an wissen, worauf sie bei der Arbeit achten müssen, bietet die BG Bau verschiedene Infomaterialien, die auch spielerisch ins Thema einführen.

Tipps zum Onboarding von Azubis

Weitere Tipps zum Onboarding von Auszubildenden hat das Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung Kofa zusammengetragen. Hier gibt es auch eine Checkliste für den ersten Tag und die Willkommensmappe.

Von der Bundesagentur für Arbeit gibt es eine umfangreiche Broschüre "#AusbildungKlarmachen". Darin erfahren Ausbilder oder Betriebe, die sich für Ausbildung interessieren, wie sie Azubis finden, was sie tun müssen, um Azubis zu motivieren und wo sie Unterstützung finden, wenn es Probleme gibt.