Öko-Dämmstoffe noch immer Nischenprodukte Steuerbonus für Gebäudesanierung schon wieder vom Tisch?

Obwohl ökologisches Sanieren vielen Bauherrn wichtiger wird, bleiben Naturfaserdämmstoffe in ihrer Nische. Die Gebäudesanierungsraten in Deutschland sind noch immer zu niedrig. Weder wollen Hausbesitzer wirklich in nachhaltige Materialien investieren, noch gibt es Fortschritte für den Steuerbonus. Angeblich hat der Bund kein Budget mehr dafür.

Jana Tashina Wörrle

Wärmedämmung mit Holzfasern: Öko-Dämmstoffe sind noch immer sehr wenig im Außenbereich im Einsatz. - © Ingo Bartussek - stock.adobe.com

Im Koalitionsvertrag von Union und SPD heißt es: "Wir wollen die energetische Gebäudesanierung steuerlich fördern. Dabei werden wir für die Antragsteller ein Wahlrecht zwischen einer Zuschussförderung und einer Reduzierung des zu versteuernden Einkommens vorsehen." Es ist der dritte Anlauf der Bundesregierung zur Einführung eines Steuerbonus, der Hausbesitzer dazu motivieren soll, Gebäude besser zu dämmen und mit neuen, energieeffizienten Heizungsanlagen auszustatten. Denn weiterhin bleibt die Sanierungsrate hinter den Zielen zurück. Bis zum Jahr 2050 soll der Gebäudebestand Deutschlands eigentlich nahezu klimaneutral werden. Dieses Ziel hat sich die Bundesregierung im Rahmen der Energiewende gesetzt. Doch seitdem diese Aussage öffentlich ist, hinkt die Bundesrepublik ihr hinterher.

Steuerbonus nicht im Haushaltsentwurf

30 Prozent des CO2-Ausstoßes und über 40 Prozent des Primärenergieverbrauchs entfallen alleine auf den Gebäudesektor. So liegen in einer gesteigerten Sanierungsrate große Energie- und CO2-Einsparpotenziale. Doch obwohl Bundeskanzlerin Angela Merkel erst kürzlich selbst gesagt hat, dass der große Altbaubestand Deutschlands – etwa zwei Drittel der knapp 19 Millionen Wohngebäude wurden vor 1978 erbaut – ein "schlafender Riese der Möglichkeiten" sei, den CO2-Ausstoß zu mindern, scheint das Thema schon wieder an Bedeutung zu verlieren.

So ist in dem von Bundesfinanzminister Olaf Scholz im Mai vorgelegten Haushaltsentwurf die steuerliche Förderung von energetischen Sanierungsmaßnahmen nicht enthalten und es wird bereits darüber diskutiert, ob dies eine erneute Absage darstellt. Im aktuellen Kurzbericht des Instituts der deutschen Wirtschaft zum Thema, über den die Süddeutsche Zeitung berichtet, heißt es etwa, dass das unlängst beschlossene Baukindergeld das für Eigentumsförderung vorgesehene Budget bereits ausschöpfe. So sei wiederum kein Geld für den Steuerbonus mehr übrig.

Von Seiten der Bundesregierung gibt es noch keine Stellungnahme dazu. Jetzt nach der Sommerpause wird sie sich aber eventuell auch damit beschäftigen, wenn das neue Gebäudeenergiegesetz wieder auf die Tagesordnung kommt – zumindest ist auch dies angekündigt.

Handwerker sollen Naturfaserdämmstoffe in ihre Angebotspalette aufnehmen

Beim Thema Gebäudesanierung bzw. der Dämmung von Gebäuden und damit zusammenhängend der Senkung des Energieverbrauchs gibt es in Deutschland aber noch mehr nicht ausgeschöpfte Potenziale. So steht nicht nur in Frage, dass mehr saniert werden muss, sondern auch, dass dabei möglichst Dämmstoffe verwendet werden, die selbst bei der Herstellung wenig Energie verbrauchen, die aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen und die bei einer späteren Entsorgung keine Probleme bereiten.

Doch Naturfaserdämmstoffe sind immer noch ein Nischenprodukt auf dem Markt. So erleben etwa die Mitarbeiter der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) in ihren Gesprächen mit Hausbesitzern zunehmend ein Interesse an den ökologischen Dämmstoffen, aber in der Praxis sieht das Ganze anders aus und die Stiftung appelliert an Handwerker, dass sie Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen in ihre Angebotspalette aufnehmen sollten. Bislang sind ökologische Baumaterialien für Hausbesitzer vor allem im Innenbereich ihrer Gebäude ein Thema. Etwas höhere Preise schrecken die meisten ab, auch bei der Gebäudedämmung von außen auf mehr Nachhaltigkeit zu achten. Welche Vor- und Nachteile die Öko-Dämmstoffe bieten und wie sich die höheren Preise in der Praxis zeigen, beantwortet Prof. Dr. Markus Große Ophoff, der fachliche Leiter des DBU Zentrums für Umweltkommunikation im Interview.

"Das Potenzial von Öko-Dämmstoffen wird nicht ausreichend genutzt"

DHZ:   Wie wichtig ist Hausbesitzern der Umweltfaktor bei Dämmstoffen?

Große Ophoff:  Im Projekt "Modernisierungsbündnisse" der Deutschen Bundesstiftung Umwelt sind wir oft mit Verbrauchern in Kontakt. Unser Eindruck ist, dass häufig der Preis eine zentrale Rolle spielt. Weiterhin ist auch relevant, dass die Dämmsysteme ja in der Regel von außen montiert werden. Da schenken Hausbesitzer gesundheitlichen Bedenken eine geringere Beachtung als bei Baustoffen im Innenraum. Es wäre sicherlich wünschenswert, wenn in diesem Bereich eine größere Aufmerksamkeit auf nachhaltige Produkte gelegt würde. Die DBU hat beispielsweise ihr neuestes Verwaltungs- und Ausstellungsgebäude mit Hanffaserplatten gedämmt und damit hervorragende Erfahrungen gemacht. Wir würden uns freuen, wenn mehr Handwerksbetriebe auch Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen in ihre Angebotspalette aufnehmen würden.

DHZ:   Mit welchen Mehrkosten im Vergleich etwa zu Polystyrol oder anderen Dämmstoffe, die nicht aus nachwachsenden Materialien bestehen, muss man rechnen?

Große Ophoff: Der Dämmstoff aus nachwachsenden Rohstoffen selber kann schon erheblich teurer sein als konventionelle Dämmstoffe. Ein Wärmedämmverbundsystem besteht aber nicht nur aus Dämmstoffen. Haltesysteme, Armierungsgewebe und abgestimmte Putze und Kleber gehören immer mit dazu. Auch braucht man ein Gerüst, und die Lohnkosten bilden meist den größten Kostenblock. Wenn man also die Gesamtkosten des Wärmedämmverbundsystems betrachtet, dann sind Lösungen mit nachwachsenden Dämmstoffen in der Regel mit Mehrkosten im niedrigen zweistelligen Prozentbereich realisierbar.

DHZ:   Wird bei den Förderungen, die es fürs Dämmen von Dächern und Fassaden derzeit gibt, die Art des Dämmstoffs berücksichtigt?

Große Ophoff:  Die wichtigsten Förderprogramme der KfW bieten für die energetische Gebäudesanierung prozentuale Zuschüsse, teils in Verbindung mit zinsverbilligten Krediten. Wenn die Kosten höher liegen, dann erhält man also proportional mehr Geld.

DHZ:   Wie lange haltbar sind die verschiedenen Dämmstoffe?

Große Ophoff: Wärmedämmverbundsystem können, bei richtiger Verarbeitung, viele Jahrzehnte halten. Wichtig ist dabei, dass das ganze System mit allen Komponenten, wie Dämmstoff, Kleber, Armierungsgewebe, Haltesystem und Putz, entsprechend den Herstellerangaben aufeinander abgestimmt ist und entsprechend verarbeitet wird. Wichtig ist zudem, dass auftretende Schäden, wie Risse oder Abplatzungen, zeitnah repariert werden.

DHZ:   Welche Vor- und Nachteile haben die Öko-Dämmstoffe?

Große Ophoff:  Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen stehen für alle Anwendungsbereiche bereit. Bei der Herstellung wird kein Erdöl eingesetzt. Meist ist auch der Energieeinsatz für die Produktion der Dämmstoffe gering. Damit ist die Umweltbilanz in der Regel günstiger als bei Dämmstoffen auf Erdölbasis oder bei Stein- und Glaswolle. Zudem können die Naturfasern Feuchtigkeit aufnehmen und abgeben. Sie können daher regulierend auf den Feuchtigkeitsausgleich einwirken. Insbesondere bei leichten Holzbauten kann sich auch die höhere Wärmekapazität von Naturfaserdämmstoffen im sommerlichen Wärmeschutz positiv bemerkbar machen. Der einzige wirkliche Nachteil ist der meist noch höhere Preis für die Dämmstoffe. Da Naturfaserdämmstoffe brennbar sind, sind sie für Hochhäuser nicht zugelassen. Sie eignen sich aber gut für Ein- und Zweifamilienhäuser.

DHZ:   Welche Rolle spielt bei der Entscheidung die Brennbarkeit für die Hausbesitzer? Hat sich das geändert, seit dem immer wieder berichtet wird, dass Dämmstoffe zum Brandbeschleuniger werden können?

Große Ophoff: Die Brennbarkeit ist bei einigen Verbrauchern ein wichtiges Thema. Der Hauptgrund dafür ist die Medienberichterstattung über Tragödien wie beispielsweise der Brand des Grenfell Tower in London. Das dort verwendete Dämmsystem wäre aber in Deutschland weder heute noch in der Vergangenheit zulässig gewesen. Zudem wurde dort auch nicht Polystyrol eingesetzt. Wenn man sich die Gesamtzahl der Brände in Deutschland anschaut, dann stellen Wohnungsbrände, die ihre Ursache im Inneren der Wohnung haben, mit rund 180.000 Fällen im Jahr das bei weitem größte Brandrisiko dar. Brände der Fassade mit Wärmedämmverbundsystemen sind mit weniger als zehn Fällen im Vergleich dazu selten. Zudem stehen für jeden, der sich Sorgen um das Brandverhalten macht, nicht brennbare Dämmstoffe zur Verfügung. Das sind insbesondere Glas- und Steinwolle. Die Kosten für ein Wärmedämmverbundsystem mit diesen unbrennbaren Dämmstoffen liegen nur wenige Euro über den Kosten für brennbare Dämmsysteme wie Polystyrol, Polyurethan und den meisten Naturfaserdämmstoffen.

DHZ:   Dämmstoffe werden auch mit Flammschutzmitteln behandelt. Diese sind in der Vergangenheit jedoch in die Kritik geraten, da es zu erheblichen Entsorgungsproblemen bei alten Dämmstoffen kam. Massen an Sondermüll sind entstanden. Sorgen sich die Dämmstoffhersteller heute mehr um den Faktor einer künftigen Entsorgung?

Große Ophoff: In der Vergangenheit waren insbesondere Dämmstoffe aus Polystyrol mit dem bedenklichen Flammschutzmittel HBCD versehen, um eine „schwere Entflammbarkeit“ des Dämmstoffs zu erreichen. Dieses Flammschutzmittel ist seit 2016 verboten und durch deutlich weniger umweltgefährdende Flammschutzmittel ersetzt worden. Bei der Neuinvestition ist dieses Problem also deutlich geringer geworden. Wird ein altes Wärmedämmverbundsystem oder gar ein ganzes Haus abgerissen, dann werden Wärmedämmverbundsysteme nie zusammen mit dem Bauschutz deponiert. Dies gilt allein schon deshalb, weil die Dämmstoffe leicht sind und vom Wind in die Umgebung geblasen werden können. Brennbare Dämmstoffe, wie Polystyrol, Polyurethan, Holzfaser- oder Hanfplatten, werden maschinell von den Steinen und dem Putz getrennt. Anschließend werden sie in Müllverbrennungsanlagen oder Zementwerken energetisch verwertet. Eine stoffliche Wiederverwendung gibt es aktuell nicht. Dies liegt unter anderem auch an der langen Haltbarkeit der Wärmedämmverbundsysteme. Bei 20, 30 oder 40 Jahre alten Baustoffen ist immer eine Unsicherheit da, welche Stoffgemische denn dann als Abfall vorliegen. Da erscheint die Verbrennung als der sicherste Weg. Glas- und Steinwolle wird so behandelt, dass sie verklumpt und nicht mehr verweht werden kann. Insgesamt sind sich aber alle Experten einig, dass die Dämmung von Gebäuden auf jeden Fall sinnvoll ist. Der optimale Dämmstoff sollte zusammen mit den Hauseigentümern und Planern entsprechend den jeweiligen individuellen Anforderungen ausgewählt werden. Das Potenzial von Dämmstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen wird dabei noch nicht ausreichend genutzt.

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