Drei-Stunden-Regelung bei Sonntagsarbeit Bäcker bieten Sonntagszuschlag gegen verlängerte Arbeitszeit

Frische Brötchen am Sonntag – für viele ein Muss. Doch Handwerksbäcker stehen beim Backen am Sonntag unter Zeitdruck. Das Arbeitszeitgesetz lässt ihnen nur drei Stunden für das Backen von Brot und Brötchen. Die Arbeitgeber im Bäckerhandwerk kämpfen für eine gesetzliche Neuregelung und brauchen dafür auch ihren Tarifpartner.

Sonntagszuschlag für Bäcker in der Debatte
Sonntags haben viele Bäcker geöffnet. Doch die Betriebe des Handwerks haben für Herstellung und Auslieferung der Backwaren wenig Zeit. - © Africa Studio - stock.adobe.com

Das Thema ist für das Bäckerhandwerk nicht neu, gewinnt aber immer wieder an Brisanz: Zwar dürfen handwerkliche Bäckereien sonntags Backwaren verkaufen – genauso lange wie Tankstellen, Kioske und To-Go-Stationen derer, die industriell vorgebackene Brötchen aufbacken. Für das richtige Backen – also das handwerkliche Herstellen – lässt ihnen das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) an Sonntagen aber nur drei Stunden Zeit. Drei Stunden, in denen die Ware auch noch ausgeliefert werden muss, wenn die Bäckerei mehrere Verkaufsstellen hat.

Sonntagsarbeit soll für Bäcker flexibler werden

Dies zu ändern, ist schon seit der Bundestagswahl 2018 eine Forderung des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks. Immer wieder ohne Erfolg. Der aktuelle Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP enthält jedoch eine mögliche Lösung. Wörtlich heißt es dort: "Wir wollen eine begrenzte Möglichkeit zur Abweichung von den derzeit bestehenden Regelungen des Arbeitszeitgesetzes hinsichtlich der Tageshöchstarbeitszeit schaffen, wenn Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen dies vorsehen (Experimentierräume)." Der Bäckerverband sieht darin Hinweise, dass die Bundesregierung prinzipiell gesetzlichen Spielraum einräumt, Sonntagsarbeitszeiten zu flexibilisieren.

Da sich die Formulierungen so deuten lassen, dass darunter auch die Höchstarbeitszeiten an Sonn- und Feiertagen fallen, haben die Tarifvertragsparteien des Bäckerhandwerks die Möglichkeit, eine gesetzliche Tariföffnungsklausel einzuführen und damit die Höchstarbeitszeit in der Herstellung von Backwaren an Sonn- und Feiertagen auf acht Stunden auszuweiten. Genau dies hat die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) allerdings schon Ende November 2021 abgelehnt und erklärt: "Solche Tarifverträge wird die NGG nicht abschließen."

Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerk geht das Thema Sonntagsarbeit nun von Neuem an und sieht vor allem in der Reform des Arbeitszeitgesetzes, die von der Bundesregierung derzeit vorbereitet wird, Chancen für Neuregelungen. Dazu geht der Verband auch mit einem Vorschlag auf die Gewerkschaft zu.

Angebot an die Gewerkschaft: Sonntagszuschlag für alle Bäckereien

In Bezug auf das Arbeitszeitgesetz ergeben sich demnach Chancen, da die Bundesregierung derzeit an einem Reformentwurf arbeitet, um im Gesetz die verpflichtende Arbeitszeiterfassung zu regeln. Nach einer Verständigung auf einen Entwurf innerhalb der Bundesregierung wird bald ein Referentenentwurf veröffentlicht, zu dem dann auch die Verbände angehört werden. "Wenn der Gesetzgeber das ArbZG ohnehin ändert, könnte bei dieser Gelegenheit auch die Ankündigung aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt und damit das Anliegen des Bäckerhandwerks zur Änderung des ArbZG einbezogen werden", teilt der Bäckerverband auf Anfrage der Deutschen Handwerks Zeitung mit.

In Richtung der Gewerkschaft fügt der Verband hinzu: "Wir bitten die NGG, die vorgenannte Position zu überdenken und sich mit uns gemeinsam gegenüber der Bundesregierung für Neuregelungen der Sonntagsarbeitszeit einzusetzen." Dabei macht der Verband der NGG auch ein Angebot. "Seitens unseres Zentralverbandes und der Landesinnungsverbände des Bäckerhandwerks besteht Bereitschaft, als Gegenleistung für eine Unterstützung des ArbZG-Anliegens über einen Tarifvertrag über Sonn- und Feiertagszuschläge zu sprechen", sagt Susan Hasse, Pressesprecherin des Zentralverbandes. Denn bislang sind diese nicht bundesweit einheitlich geregelt bzw. gibt es in einzelnen Bundesländern gar keine Zuschlagsregelungen.

Um bereits bestehende tarifliche Regelungen in den westlichen Bundesländern zu diesem Thema unberührt zu lassen, könnte durch eine räumliche Beschränkung in den Tarifverträgen sichergestellt werden, dass nur die Bundesländer einbezogen werden, in denen die Bäckerei-Angestellten bisher keine Zuschläge erhalten. Susan Hasse erklärt, dass diese "weißen Flecken" auf der Tarifkarte des Bäckerhandwerks Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen seien. "Eventuell gibt es von der Seite der Gewerkschaft zur Ausgestaltung einer solchen tariflichen Zuschlagsregelung aber auch andere Überlegungen, über die wir gerne bereit sind zu sprechen", sagt die Verbandssprecherin.

Sonntagszuschlag in der Bäckerei: Attraktiver Bonus

Grundsätzlich setzt sich der Bäckerverband nach eigenen Angaben im Zuge der Reform des ArbZG dafür ein, hinsichtlich der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung eine Ausnahmegenehmigung für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zu erreichen. Alternativ bringt der Verband in einem Positionspapier zum Thema mit ins Spiel, dass die gesetzliche Regelung einer Arbeitszeiterfassung mit Zustimmung des Bäckerhandwerks nur erfolgen wird, "wenn dabei auch das dem Bundesarbeitsministerium bereits bekannte Anliegen unseres Handwerks zur Änderung von § 10 Abs.3 ArbZG umgesetzt wird", sagt Susan Hasse. Der Paragraf beschreibt die Arbeitszeitregelung am Sonntag und bezieht sich derzeit auf die drei Stunden, die ausgeweitet werden sollen.

Die aktuelle Regelung für die Sonntagsarbeit in Bäckereien stammt aus dem Jahr 1996 (§ 10 Abs.3 ArbZG). Diese erlaubt es, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an Sonntagen in Bäckereien und Konditoreien eben nur für bis zu drei Stunden mit der Herstellung, dem Austragen oder Ausfahren von Konditorwaren und an diesem Tag zum Verkauf kommenden Backwaren zu beschäftigen. Das reicht heutzutage aber aus Sicht des Bäckerverbands immer weniger aus. Viele Mitarbeiter der Branche würden außerdem gerne am Sonntag arbeiten, weil attraktive Sonntagszuschläge gezahlt werden. Eine tarifliche Ausweitung auf die Bundesländer, die bisher keine Regelungen dazu haben, sieht der Verband deshalb auch als Entgegenkommen für einen Kompromiss mit der Gewerkschaft.

Zwar hat der Bundesgerichtshof (BGH) im Jahr 2019 ein Urteil zu den Sonntagsöffnungszeiten von Bäckereien gesprochen. Und genau dieses Urteil hat in den Zeiten der Corona-Pandemie nochmals an Bedeutung gewonnen. Allerding bezieht es sich zunächst auf die Verkaufszeiten und nicht auf die Arbeitszeiten in der Backstube. Außerdem stehen dabei nur die Bäckereien im Fokus, die neben dem Thekenverkauf von Backwaren auch ein Café betreiben. Für diese Bäckereien haben die Richter die hochoffizielle Erlaubnis erteilt, das gesamte Backwarensortiment am gesamten Sonntag anzubieten.

>>> Die Details dieses Urteils können Sie hier nachlesen

Bäckereien in starkem Wettbewerb mit dem Lebensmitteleinzelhandel

Als in den Anfangszeiten der Pandemie Unsicherheit aufkam, wer wann das To-Go-Geschäft bedienen darf, hat genau dieses BGH-Urteil vielen Bäckereien Rechtssicherheit gegeben. Denn das ist demnach denjenigen erlaubt, die als "Gastronomie" einzuordnen sind. Und genau das sind der Rechtsprechung zufolge Bäckereiverkaufsstellen, die Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle anbieten. Das war laut Bäckerverband auch das schlagende Argument dafür, dass Bäckereibetriebe bei der Corona-Hilfe 2020 als Gastronomiebetriebe behandelt wurden. Sie waren also berechtigt, einen Antrag auf die Hilfe zu stellen.

Das BGH-Urteil ist für das Bäckerhandwerk also ein wichtiges Signal für mehr Wettbewerbsgerechtigkeit gegenüber dem Lebensmitteleinzelhandel und anderen nicht handwerklichen Verkaufsstellen. Um hier aber wirklich Fairness walten zu lassen, ist aus Sicht des Verbandes auch eine Ausweitung der Drei-Stunden-Regelung dringend erforderlich. Denn kaum ein Bäcker kann es sich heute noch leisten, den Sonntag als Verkaufstag auszulassen.

In den vergangenen Jahren haben sich die Strukturen des Bäckerhandwerks stark verändert. Die Zahl der kleinen Betriebe – vor allem der Einzelbetriebe ohne weitere Verkaufsstellen – hat abgenommen. Gleichzeitig haben viele größere Unternehmen die Zahl ihrer Verkaufsstellen ausgebaut. Doch diese kommen mit den gesetzlich vorgegebenen drei Stunden zunehmend nicht mehr aus. Sie müssen mehr Backwaren herstellen, um die gewachsene Zahl von Filialen zu beliefern und das von den Kunden auch an Sonntagen gewünschte Sortiment vorhalten zu können.

Wettbewerbsdruck bei Sonntagsbrötchen stark

Genau das erwarten die Kunden: Ein breites Sortiment an Backwaren, möglichst immer verfügbar und möglichst frisch. Sonn- und Feiertage gelten als besonders umsatzstark. Das haben auch Kioske, Tankstellen, Backshops und der Lebensmitteleinzelhandel mit Filialen in Bahnhöfen oder anderen publikumsstarken Orten, die an Sonntagen geöffnet haben, im Blick und bieten Backwaren an. Einige tun dies inzwischen sogar als 24-Stunden-Verfügbarkeitskonzept, wie die neuen Rewe-to-go-Filialen in einigen Innenstädten und an Tankstellen. Damit steigt der Wettbewerbsdruck gerade an diesen Tagen.

Im Unterschied zu den Bäckereien gelten für die Wettbewerber mit den Backautomaten allerdings andere rechtliche Vorgaben bzw. kommen sie nicht mit der sogenannten Drei-Stunden-Regelung in Konflikt. "Das Problem der Produktionszeiten am Sonn- und Feiertag stellt sich für sie nicht, da sie keine Bäckerei sind, keine eigene Herstellung von Backwaren haben und lediglich vorproduzierte industrielle Tiefkühl-Teiglinge aufbacken", erklärt dazu der Rechtsexperte und Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands, Friedemann Berg.

Abgesehen von der ständigen Verfügbarkeit sind den Verbrauchern heute auch die Frische und die Qualität der Lebensmittel besonders wichtig. Genau dies ist der Vorteil des Handwerks, das mit Selbstgebackenem statt Aufgebackenem bei seinen Kunden punkten kann. Genau dies gilt es laut Berg auch zu erhalten und deshalb gesetzlich anzupassen. 

"Kunden sehnen sich nach guten Lebensmitteln von Handwerksbäckern, die ‚noch richtig backen‘ - und das jeden Tag frisch", sagt Friedemann Berg. Schon deshalb sei eine tagesfrische Produktion nach dem Motto "Wir verkaufen Backwaren, die morgens noch Mehl waren" unverzichtbar. "Bereits hierin liegt aus unserer Sicht ein Rechtfertigungsgrund für eine Sonderstellung des Bäckerhandwerks – und ein Grund für eine Änderung der geltenden Vorschrift", erklärt er.