Schattenwirtschaft Schwarzarbeit in Deutschland nimmt weiter ab: Doch wie lange noch?

Die Schattenwirtschaft kostet die deutsche Wirtschaft jährlich mehr als 300 Milliarden Euro. Doch es wird besser: Experten schätzen, dass die Schwarzarbeit auch 2019 weiter sinken wird. Die Frage ist, wie lange der Trend noch anhalten wird.

Max Frehner

Mehr als 80 Prozent aller Baubetriebe schätzen, dass ihnen durch die Schattenwirtschaft Umsatz entgeht. - © juefraphoto - stock.adobe.com

Mitarbeiter werden um ihren Lohn gebracht, Scheinselbstständige als billige Subunternehmer eingestellt, Rechnungen gefälscht oder nicht ausgestellt. Schwarzarbeit hat viele Gesichter – und kostet Wirtschaft und Staat jährlich Milliarden. Der Wirtschaftswissenschaftler Friedrich Schneider und das Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) schätzen, dass deutschen Unternehmen im vergangenen Jahr ein Umsatz in Höhe von 325 Milliarden Euro entgangen ist. Genau kann den Schaden jedoch niemand beziffern. Über die sogenannte Schattenwirtschaft liegen naturgemäß keine belastbaren, statistischen Daten vor.

Bauwirtschaft am stärksten betroffen

Einig sind sich die Studien jedoch, dass die Bauwirtschaft von allen Branchen am meisten von Schwarzarbeit betroffen ist. Schneider beziffert den Anteil der Schwarzarbeit am Bau auf bis zu 30 Prozent. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hält diesen Wert für zu hoch gegriffen. In einer repräsentativen Umfrage des IW schätzten die Betriebe der Baubranche ihren Verlust durch Schwarzarbeit auf durchschnittlich 9,3 Prozent, wobei kleine und mittelständische Betriebe stärker betroffen sind als Großunternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern. Nur 19 Prozent der Betriebe gaben an, gar keine Einbußen zu haben. Für den IW-Wirtschaftsethiker Dominik Enste sind diese Zahlen alarmierend. "Angesichts des aktuellen Baubooms ist es bedenklich, dass über 80 Prozent der Bauunternehmen unter der illegalen Konkurrenz leiden."

Ohne Wirkung sind die vollen Auftragsbücher der vergangenen Jahre dennoch nicht geblieben. Für 2019 prognostizieren Schneider und das IAW, dass sich der Schaden durch Schwarzarbeit um etwa 5 Milliarden auf 319 Milliarden Euro reduzieren wird. Das Verhältnis der Schattenwirtschaft zum offiziellen Bruttoinlandsprodukt (BIP) würde damit zum zehnten Mal in Folge sinken, auf dann 9,1 Prozent. Der niedrigste Wert seit Beginn der Untersuchung Mitte der 90er Jahre.

Schwarzarbeit lohnt sich weniger

Die positive Entwicklung sehen die Forscher vor allem in der guten Lage am Arbeitsmarkt begründet. Gestiegene Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten in der offiziellen Wirtschaft würden dazu führen, dass weniger Personen bereit sind, ihre Arbeitskraft außerhalb der offiziellen Wirtschaft anzubieten. "Für einen Fliesenleger ist es auch nicht so lustig, am Freitagabend oder Samstag zu arbeiten, wenn er auch so genug Geld verdienen kann", erklärt Friedrich Schneider von der Universität Linz, einer der Co-Autoren, die Entwicklung.

In ihren Schätzungen berufen sich die Forscher auf die wirtschaftliche Entwicklung, ein weiterer Indikator sind Bargeldreserven und die Arbeitslosenquote. Sie gehen dabei in diesem Jahr von einem weiteren Rückgang der Arbeitslosigkeit in Deutschland aus. Zudem schätzen die Forscher, dass aufgrund der Halbierung des Mindestbeitrags zur gesetzlichen Krankenversicherung für Kleinselbstständige mehr Schwarzarbeiter ein Gewerbe anmelden werden. Sie berechneten, dass auf diese Weise etwa 1,4 Milliarden Euro an Wertschöpfung aus der Schattenwirtschaft in die offizielle Wirtschaft verlagert werden.

Verdi-Chefökonom Dierk Hirschel hält die Methode für umstritten. Die Modellannahmen seien völlig unrealistisch. "Richtig ist die Aussage, dass die Schwarzarbeit zurückgeht." Das sei aber auf die kräftigen Lohnzuwächse des vergangenen Jahres und die Anhebung des Mindestlohns zurückzuführen. Außerdem gebe es weniger unsichere Jobs, was die Einkommenslage von Geringverdienern verbessert habe. "Dadurch können immer mehr Menschen von ihrer regulären Arbeit leben", so Hirschel

Entwicklung der Schattenwirtschaft abhängig von wirtschaftlicher Lage

Der Trend der letzten Jahre zeichnet ein positives Bild. Fraglich ist, wie lange er anhält. Der Rückgang der Schwarzarbeit fußt größtenteils auf der gut laufenden Wirtschaft. Experten erwarten jedoch, dass die Konjunktur in den nächsten Jahren schwächeln wird. Die Handelspolitik von US-Präsident Donald Trump und ein möglicher Brexit sind Unsicherheiten, die den Abschwung zusätzlich befördern könnten.

Notwendig sind daher Maßnahmen, die der Schwarzarbeit auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten entgegenwirken. Geht es nach den Unternehmen, braucht es hierfür keine neuen Gesetze. Nachholbedarf sehen die durch den IW befragten Betriebe allerdings bei den Kontrollen. 75 Prozent der befragten Firmen wünschen sich häufigere und intensivere Kontrollen durch den Zoll, zudem wünschen sich rund 67 Prozent der Unternehmen härtere Strafen.

Finanzkontrolle Schwarzarbeit: Zoll fehlt das Personal

Nach geltendem Recht drohen bei Schwarzarbeit ein Bußgeld von bis zu 500.000 Euro und bis zu zehn Jahren Gefängnis. Meist kommt es jedoch nur zu einem Ordnungswidrigkeitsverfahren und zu einem Bußgeld von maximal 50.000 Euro. Und auch das nur, wenn die Akteure der Schattenwirtschaft auffliegen. Die derzeit rund 7.200 Zollbeamten sind überfordert. Allein im Jahr 2017 prüfte der Zoll mehr als 52.000 Arbeitgeber. Die IG Bau fordert daher, das Personal auf 10.000 Kontrolleure aufzustocken.

Um die Kontrollen effizienter zu gestalten, hat die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) inzwischen mehrere Bündnisse mit Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften der besonders betroffenen Wirtschaftszweige geschlossen. Darin tauschen die Beteiligten Erfahrungen und Informationen aus und verpflichten sich zu einer besseren Aufklärung der Betriebe. Wer selbst Zeuge von Wettbewerbsverzerrungen und prekären Beschäftigungsverhältnisse  wird, kann die Arbeit des Zolls ebenfalls unterstützen. Der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB) bietet etwa ein Meldeformular, über das anonym Hinweise weitergeleitet werden können.

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