Interview zur Meisterpflicht "Meisterbetriebe sind langlebiger"

Ein ökonomisches Gutachten der Professoren Justus Haucap und Alexander Rasch aus Düsseldorf liefert Gründe für eine Stärkung der Meisterpflicht. Damit rückt die Rückvermeisterung näher.

Steffen Range

Alexander Rasch ist Co-Autor des Gutachtens "Ökonomische Aspekte der Novellierung der HwO 2004" - © Schmidt-Dominé

Kommen wieder mehr Gewerke unter die Meisterpflicht? Die Große Koalition hat sich vorgenommen, Fehlentwicklungen der letzten Reform der Handwerksordnung vor 15 Jahren zu korrigieren. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) begleitet dieses Vorhaben mit mehreren wissenschaftlichen Gutachten. Nach der juristischen Einschätzung von Prof. Martin Burgi aus München liegt nun das Gutachten "Ökonomische Aspekte der Novellierung der HwO 2004“ von Prof. Justus Haucap und Prof. Alexander Rasch vom Düsseldorfer Institute for Competition Economics (DICE) der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf vor. Diese Studie untersucht die Auswirkungen der Liberalisierung der Handwerksordnung im Jahr 2004 insbesondere im Hinblick auf die Bestandsfestigkeit der Handwerksbetriebe und die Ausbildungsleistung.

DHZ: Herr Professor Rasch, Sie haben gemeinsam mit Ihrem Düsseldorfer Kollegen Justus Haucap die ökonomischen Auswirkungen der Novellierung der Handwerksordnung 2004 untersucht. Was spricht für den Meisterbrief bzw. eine Ausdehnung der Meisterpflicht?

Alexander Rasch: Die Bestandsfestigkeit der Unternehmen. Handwerksbetriebe der Anlage A erweisen sich als langlebiger. Betriebe in B1-Gewerken werden schneller aufgemacht und geschlossen. Der Meisterbetrieb hat eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit.

DHZ: Warum spielt das ökonomisch betrachtet eine Rolle?

Rasch: Das hat mit der so genannten Informations-Asymmetrie zu tun. Der Anbieter ist Experte und hat einen Wissensvorsprung vor dem Kunden. Das kann zu unbefriedigenden Marktergebnissen führen.

DHZ: Rechtfertigt das einen regulatorischen Eingriff wie den Meisterbrief?

Rasch: Mildere Eingriffsmechanismen funktionieren im Handwerk zumindest nicht so gut wie in anderen Märkten. Ein Befähigungsnachweis trägt zur Sicherung einer Mindestqualität bei und damit zur Überwindung von Informationsproblemen.

DHZ: Warum braucht es dafür einen Meisterbrief, die Betriebe könnten doch zum Beispiel gesetzlich verpflichtet werden, Garantien abzugeben?

Rasch: Garantien helfen Ihnen nicht weiter, wenn eine Bestandsfestigkeit nicht gegeben ist.

DHZ: Die Kunden können sich auf Bewertungsportalen im Internet informieren, ob ein Handwerker gute Arbeit leistet.

Rasch: Aber auch hier muss eine Bestandsfestigkeit gegeben sein. Der Aufbau von Reputation dauert in Handwerksbetrieben oft Jahre. Bei vielen handwerklichen Leistungen etwa im Baugewerbe verstreicht eine lange Zeit zwischen der Erbringung der Dienstleitung und dem Zeitpunkt, an dem ein mögliches Problem auftritt. Das bilden Bewertungsportale in der Regel nicht oder nur verzerrt ab. Es ist einfach etwas anderes, ob man ein Restaurant besucht und danach die Mahlzeit bewertet oder ob ein Handwerker im Badezimmer Fliesen verlegt und Jahre später Undichtigkeiten auftreten.

DHZ: Aus Sicht eines Wirtschaftswissenschaftlers bilden Handwerker eine Sondergruppe?

Rasch: Handwerksleitungen sind komplex und bestehen aus vielen Ebenen: Preis, Freundlichkeit und Zuverlässigkeit des Handwerkers, Qualität der Arbeit, Material. Die Bewertungen in Portalen beschränken sich aber meist auf die Dimensionen, die der Kunde beurteilen kann. Das müssen nicht unbedingt die relevantesten Kriterien sein.

DHZ: Die Engländer regeln zum Beispiel viel über Zertifikate statt über einen Meisterbrief. Wäre das ein Weg für uns?

Rasch: Ich sehe Probleme bei der Standardisierung. Viele Leistungen im Handwerk werden individuell erbracht, lassen sich also nur bedingt standardisieren. Nun könnte man sagen, dass sich gerade die besseren Betriebe zertifizieren lassen. Aber wir wissen aus Laboruntersuchungen, dass die Kunden sich daran nicht orientieren.

DHZ: In anderen Bereichen gibt es doch auch Zertifikate…

Rasch: Und man sieht in der Praxis, wie problematisch das ist – etwa bei Hochschulen, Lebensmitteln, Fair Trade. Es gibt einen regelrechten Wettbewerb der Zertifikate-Anbieter mit einer ganz unterschiedlichen Qualität. Der Kunde muss sich schon sehr genau damit befassen, damit Zertifikate ihre Wirkung entfalten. Also treten wieder Informationsasymmetrien auf – nur wird das Qualitätsproblem auf eine andere Ebene verlagert.

DHZ: Durch den Meisterbrief wird also ein Qualitätsversprechen abgegeben, das der Kunde nachvollziehen und dem er trauen kann?

Rasch: Aus ökonomischer Sicht ist der Meisterbrief kein Sündenfall, der Eingriff lässt sich unter dem Gesichtspunkt der Informationsasymmetrie und Bestandsfestigkeit rechtfertigen.

DHZ: Fällt Ihnen eine solche Aussage als liberal gesinnter Ökonom nicht schwer, der üblicherweise für möglichst freie, deregulierte Märkte eintritt?

Rasch: Es gibt andere Beispiele für gut begründete Eingriffe, die sich in der Praxis bewährt haben. Denken Sie an die freien Berufe – Anwälte, Notare, wo über die Gebührenordnung Mindestpreise definiert werden. So ein Eingriff lässt sich begründen, wenn eine Leistung aus mehren Dimensionen besteht. Kunden konzentrieren sich häufig auf den Preis. Wenn diese Dimension ausgeschaltet wird, kann ein Wettbewerb über Qualität entstehen. Ich sehe hier Parallelen zum Handwerk.

DHZ: Was hat der Verbraucher von der Rückvermeisterung bestimmter Gewerke?

Rasch: Der Eingriff kann tendenziell dazu führen, dass Leistungen teurer werden, aber verbunden mit höherer Qualität. Aus Verbrauchersicht ist das also durchaus ein zweischneidiges Schwert. Andererseits haben die Auftraggeber gerade mit Blick auf Gewährleistungsansprüche, Reparaturen und Nachbesserungen ein Eigeninteresse am Fortbestand des Anbieters.

DHZ: In Ihrem Gutachten haben Sie auch die Auswirkung der Novellierung der Handwerksordnung auf die Ausbildungsleistung untersucht. Was sind die Ergebnisse?

Rasch: Ein Vergleich der Auszubildenden zeigt einen stärkeren Rückgang in den B1-Handwerken als in den A-Handwerken, wiewohl sich eine wirkliche Diskrepanz erst in den letzten fünf bis zehn Jahren ergeben hat und die Entwicklung auch zwischen den einzelnen Gewerken sehr unterschiedlich verläuft.